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Kurator'in für: Flucht und Einwanderung Literatur Fundstücke Zeit und Geschichte
Dissertation über John Berger (Dr. phil.). Seine Essays und Interviews, seine Reportagen und Rezensionen erscheinen u. a. in Neue Zürcher Zeitung, Blätter für deutsche und internationale Politik, Sinn und Form, Jacobin und Lettre International. Als Historiker wertet er den in der Berliner Staatsbibliothek vorliegenden Nachlass seines Vaters aus. So erschienen »Die Bismarcks. Eine preußische Familiensaga vom Mittelalter bis heute« (2010, zusammen mit Ernst Engelberg) oder die von ihm herausgegebene Neuedition von Ernst Engelbergs »Bismarck. Sturm über Europa« (2014). Als Buchautor publizierte er zuletzt das literarische Sachbuch »An den Rändern Europas« (2021).
Selbst viele in der SPD halten die alte Neue Ostpolitik, die mit Namen wie Willy Brandt und Egon Bahr verbunden ist, für überholt oder sogar für gescheitert.
Entschieden und überzeugend widerspricht Hans Kundnani, ein in Deutschland geborener britischer politischer Analyst, in einem augenöffnenden Artikel, der von Christine Hardung übersetzt worden ist.
Mehr als zehn Jahre lang habe ich die damals in Deutschland und in anderen westlichen Ländern vorherrschende Auffassung kritisiert, die wirtschaftliche Verflechtung mit China und Russland werde diese Länder entweder demokratisieren oder in „verantwortungsvolle Akteure“ der internationalen Ordnung verwandeln. ... Schon 2013 habe ich darauf hingewiesen, das Prinzip „Wandel durch Handel“ sei keine Fortführung, sondern ein Zerrbild der Ostpolitik.
Wie der Neoliberalismus, also der Markttotalitarismus, den Liberalismus ins Gegenteil dreht, so entstellte er auch die alte Ostpolitik.
Eine Ostpolitik wird heute dringender gebraucht als vor dem russischen Einmarsch in die Ukraine 2022. Bei allen Unterschieden zwischen damals und heute gleicht die derzeitige Lage in Europa dem Kalten Krieg stärker als in den zwei Jahrzehnten nach dessen Ende. Damit könnte die geschickte Strategie aus der Zeit des Kalten Krieges so relevant werden wie schon lange nicht mehr.
Gerade der Ansatz von Egon Bahr, den Willy Brandt eigenständig und in Diskussion mit dem großen Strategen übernahm und veränderte, ist heute - anders als gemeinhin geglaubt - aktuell.
Der erste Aspekt ist der paradoxe Gedanke, die Realität zu akzeptieren, um sie verändern zu können. Für Bahr war dies die Teilung Deutschlands. Er kam zu der Einsicht, dass die Anerkennung der Deutschen Demokratischen Republik der beste Weg sei, um die Teilung zu überwinden. Er nannte das „innerdeutsches Judo“.Der zweite Aspekt der Ostpolitik ist der Gedanke, in kleinen Schritten auf ein langfristiges Ziel hinzuarbeiten, das unerreichbar scheint.
Wer das nicht glaubt, vergegenwärtige sich die Lage im Jahr 1963 als Egon Bahr seine hier verlinkte Rede "Wandel durch Annäherung" hielt. Es war knapp zwei Jahre nach dem Mauerbau, nicht mal ein Jahr nach der Kubakrise, die die Welt so nah an einen Atomkrieg brachte wie nie zuvor und danach, in Vietnam tobte ein Krieg. Bald danach liefert die Sowjetunion den vietnamesischen Kommunisten Waffen, um gegen US-Truppen zu kämpfen.
Wer die Rede gelesen und verstanden hat, wird erkennen, wie hoch die Messlatte für eine vergleichbare Ansprache hängt.
Heute muss das Ziel – also das, was für Bahr die deutsche Wiedervereinigung war – Frieden mit Russland sein. Im Moment scheint dies so weit entfernt und unerreichbar wie die deutsche Wiedervereinigung in den frühen 1960er Jahren. Doch die Ostpolitik lehrt, auf der einen Seite die aktuelle Realität zu akzeptieren, ohne aber auf der anderen Seite das Ziel aus den Augen zu verlieren, was die außenpolitischen Eliten in Deutschland allem Anschein nach tun. Zudem sollte darüber nachgedacht werden, welche kleinen Schritte unternommen werden können, um dieses Ziel am Ende zu erreichen.
Quelle: Hans Kundnani, Egon Bahr Bild: picture alliance ... www.ipg-journal.de
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InteressanterArtikel. Ich verstehe nicht, warum eine friedliche Koexistenz mit Rußland unerreichbar erscheinen soll. Und auch nicht, wo genau deutsche Eliten das Ziel eines Friedens aus den Augen verloren haben sollen. Auch wenn der Weg, der Ukraine keine Waffen mehr zu liefern, schnelle Erfolge erzielen könnte. Einen solchen Frieden der Unterwerfung kann man eigentlich nicht wollen. Ansonsten scheinen mir die außenpolitischen Eliten hierzulande eher zerstritten. Das Ziel des Friedens mit Rußland aber hoffentlich nicht so weit entfernt wie die Deutsche Einheit 1963.