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Kurator'in für: Flucht und Einwanderung Literatur Fundstücke Zeit und Geschichte
Dissertation über John Berger (Dr. phil.). Seine Essays und Interviews, seine Reportagen und Rezensionen erscheinen u. a. in Neue Zürcher Zeitung, Blätter für deutsche und internationale Politik, Sinn und Form, Jacobin und Lettre International. Als Historiker wertet er den in der Berliner Staatsbibliothek vorliegenden Nachlass seines Vaters aus. So erschienen »Die Bismarcks. Eine preußische Familiensaga vom Mittelalter bis heute« (2010, zusammen mit Ernst Engelberg) oder die von ihm herausgegebene Neuedition von Ernst Engelbergs »Bismarck. Sturm über Europa« (2014). Als Buchautor publizierte er zuletzt das literarische Sachbuch »An den Rändern Europas« (2021).
Das Gespräch zwischen Friedrich Schorlemmer und Günter Gaus in dessen legendären Reihe ZUR PERSON ist das zentrale Stück dieses Dossiers zum Tod dieses Dissidenten, der sich nach 1990 zum öffentlichen Intellektuellen wandelte.
Erstaunlich ist, was Schorlemmer, die Sendung wurde am 13. Februar 1990 erstmals ausgestrahlt, bemerkt: So fürchtet er das wenig ausgeprägte Selbstbewusstsein vieler DDR-Bürger, aber auch die Verdrängung globaler Gefahren, nicht zuletzt der ökologischen, der Deutschen insgesamt.
Vor einigen Stationen seiner weiteren Entwicklung eine Rückschau auf sein Handeln als bekannter Dissident der DDR. Von Peter Wensierski stammen diese Aufnahmen aus dem Jahr 1983, wo Friedrich Schorlemmer durch seine symbolische Schmiedeaktion "Schwerter zu Pflugscharen" bekannt wurde, und diese aus dem Jahr 1989.
Als Mann des Wortes erhielt er bereits 1993 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Die Laudatio hielt der Bundespräsident Richard von Weizsäcker.
In der neuen Epoche tobt in Europa nach Jahrzehnten der erste Krieg. Wie beim griechischen Bürgerkrieg (1946-49) ereignet er sich in Südosteuropa, diesmal in Jugoslawien. Die Umweltkonferenz in Rio de Janeiro 1992 brachte keine erfolgversprechenden Schritte. Besonders die Länder des Südens, die heute vehement gegen den "Westen" aufstehen, sind betroffen und dementsprechend enttäuscht. Rechtsextreme Gewalt erschüttert unser Land.
Tagtäglich schlägt uns nun so viel Gewalt und Armut, Zerstörung und Haß, Tränen und Blut, letztlich so viel Sinnlosigkeit entgegen, dass wir an der Menschheit zu verzweifeln beginnen, dessen Einzelexemplar jeder selbst ist. Wir können nur froh sein, wenn wir - noch - nicht mittendrin sind.
Wo unsere Welt in gefährlichen Aufruhr, unwägbare Umbrüche, soziale und ökologische Katastrophen taumelt und unser eigenes Land in eine merkwürdig diffuse Gemütslage, mit irritierenden Anleihen an dunklere Vergangenheit gekommen ist, da kann ich diesen »Friedenspreis« nur als Würdigung eines bestimmten Weges, mehr noch als eine Ermutigung verstehen, weiter aus einem DENNOCH zu leben, unbeirrt dabei zu bleiben, dem inneren und äußeren Frieden mit Mitteln des Friedens zu dienen.
"Ein Prediger soll Zähne im Maul haben, beißen und salzen und jedermann die Wahrheit sagen." So steht es bei Luther und ich nutzte es verkürzt für die Überschrift. Und gerade bei einem Theologen von Rang und dazu aus Wittenberg ist Schorlemmers Essay NICHTS ALS SCHINDEN UND RAUBEN zur politischen Aktualität von Martin Luther aufschlussreich:
Die Kirche ist dabei durchaus mit gemeint; sie darf nach Luther keine Rücksicht nehmen: „Ein Prediger soll Zähne im Maul haben, beißen und salzen und jedermann die Wahrheit sagen. Denn so tut Gottes Wort, dass es die ganze Welt antastet, Herrn und Fürsten und jedermann ins Maul greift, donnert und blitzt und stürmt gegen große, mächtige Berge, schlägt drein, dass es raucht, und es zerschmettert alles, was groß, stolz und ungehorsam ist.“Unzufriedenheit mit den Regierenden ist, wie sich hier zeigt, offensichtlich eine in jeder Zeit anzutreffende Empfindung der Regierten. Es tut schließlich gut, jemanden zu haben, den man für das Übel der ganzen Welt verantwortlich machen kann.
...
Um später nicht enttäuscht zu werden, hilft daher letztlich nur eines: Abwägen, Maßnehmen, sich keine Illusionen machen, sondern, fast unter Vorwegnahme Max Webers, die Politik stets als Kunst des Möglichen zu begreifen. Das ist der Kern des radikalen Realismus Martin Luthers.
Es erschien in den Blättern für deutsche und internationale Politik, zu dessen Herausgeberkreis er gehörte.
Besonders vertraut war Friedrich Schorlemmer mit Egon Bahr, der heute oft verleumdet wird.
Man kann nur hoffen, Friedrich Schorlemmer bekommt eine ebenso eindrückliche Totenrede wie Egon Bahr von ihm. Da ich sie nicht verlinken kann, ein Bericht, in dem es heißt:
Der aus der ostdeutschen Bürgerrechtsbewegung stammende Schorlemmer nimmt Bahr noch einmal vor Kritik in Schutz, er habe sich um die Opposition in der DDR nicht geschert, sondern nur mit den SED-Bonzen verhandelt. Wer so rede, habe Bahrs Politik nicht verstanden. „Er hat mit denen da oben für die Widerständler da unten geredet.“ Er sei stets eine energische, wichtige und hörbare Stimme für die Menschen im Osten gewesen. „Und er hat irgendwie auch den Namen Egon gerettet“, eine ironische Anspielung auf den letzten SED-Chef Egon Krenz, die viele schmunzeln lässt.
Überaus erhellend ist das Gespräch DIE DEUTSCHEN UND DIE POLEN zwischen Günter Grass, Egon Bahr und Friedrich Schorlemmer. Es zeigt eine hohe Diskussionskultur.
Einen würdigen Nachruf mit dem sprechenden Titel ZORN UND ZUWENDUNG schrieb Hans-Dieter Schütt im ND:
Jeder tut dem anderen alles an, was er ihm, ohne dafür bezahlen zu müssen, antun kann. Dagegen setzte dieser Autor seinen Zorn, seine Zuwendung; er beschwor den Mut, die Solidarität nicht länger als »Verliererparole« zu sehen, sondern als Hauptgegenstand des Selbst-Erlebens. »Glaube ist keine Versicherung gegen die Angst, sondern ein Bestehen in der Angst. Jeder hüte sich davor, sich ohne jede Willensanstrengung auf eine Mutlosigkeit herauszureden, die einfach nur Feigheit ist.«
Quelle: Friedrich Schorlemmer, Günter Gaus, Peter Wensierski, Egon Bahr, Günter Grass, Hans-Dieter Schütt u. a. Bild: IMAGO / epd / Je... www.ardmediathek.de
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Ergänzend dazu:
https://x.com/IlkoKowa...
Mit ein wenig Recherche stösst man auf diesen Link:
https://web.archive.or...
Das ist dann ein Teil der Geschichte, der vermutlich nicht mehr mit vermittelt wird. Warum dies so war oder ist, soll Friedrich Schorlemmers Andenken nicht schmälern, aber gerne ergänzen.
Schorlemmer war übrigens auch Herausgeber des Freitag https://www.freitag.de...