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In einer Zeit, in der Autokraten ihre Macht durch Angriffe auf "die Medien" festigen, müssen alte Debatten über die Rolle des Journalismus in einer Demokratie und darüber, wie Journalisten sich verhalten sollten, neu geführt werden. Anwaltschaft ist nicht weniger legitim und wertvoll als Berichterstattung, solange sie auf einer Verpflichtung zur Wahrheit beruht.
Jan-Werner Müller ist Professor für Politik an der Princeton University und Verfasser des aktuellen Buchs Democracy Rules (Farrar, Straus and Giroux, 2021; Allen Lane, 2021).
PRINCETON – Sollten Journalisten sagen und schreiben, was sie denken? Nach den jüngsten Kontroversen sind die alten Fragen über das Berufsethos und die politische Rolle von Journalisten in der Demokratie dringlicher geworden.
Durch ein aktuelles Verleumdungsverfahren wurde klar, wie – und wie oft – die Moderatoren von Fox News ihre Zuschauer mit der Behauptung belogen haben, die US-Präsidentschaftswahl von 2020 sei „gestohlen“ worden. Die BBC hat den ehemaligen Fußballprofi Gary Lineker für Tweets suspendiert, in denen er die Flüchtlingspolitik der britischen Regierung kritisiert hatte – angeblich entgegen der traditionellen Verpflichtung des Senders zur Unparteilichkeit. Und überall diskutieren Journalisten darüber, ob sie, wenn sie politische Positionen vertreten, eine gefährliche Linie hin zum „Aktivismus“ überschreiten.
Aber die konventionelle Unterscheidung zwischen „Journalist“ und „Aktivist“ macht keinen Sinn, weil die Rolle von Journalisten nie passiv war. Wer in einer Zeit, in der Autokraten ihre Macht konsolidieren, indem sie „die Medien“ angreifen (oder kritische Berichterstattung als „Falschnachrichten“ abtun), dieses Verhalten nicht anprangert, toleriert letztlich den zunehmenden Autoritarismus. Wenn Journalisten dazu schweigen, ist dies keineswegs neutral.
Wie viele Medienkritiker zu Recht bemerkt haben, verzerrt die traditionelle Vorgehensweise, routinemäßig „beide Seiten“ eines politischen Streits wiederzugeben, häufig die Wirklichkeit. So warnte The Atlantic 2014 in einer Überschrift: „Ja, Polarisierung ist asymmetrisch – und Konservative sind schlimmer.“ Seitdem hat sich die Republikanische Partei in den USA völlig auf die Linie Trumps begeben und gegen die Demokratie selbst gewendet. Eine derart asymmetrische Lage als symmetrisch darzustellen führt zu dem Eindruck, die traditionelle journalistische Objektivität gehe auf Kosten der Wahrheit.
Laut dem Medienkritiker Jay Rosen gründet dieser „both-sideism“ nicht so sehr auf der professionellen Verpflichtung zur Objektivität, sondern vielmehr auf dem Versuch, bereits im Vorfeld den Verdacht der „Parteilichkeit“ zu vermeiden. Es geht weniger um Wahrheitssuche, sondern vielmehr um eine Art „Zufluchtnahme“, die von einem Anstrich makelloser Neutralität verdeckt wird.
Umgekehrt können Journalisten, die sich als Mitglieder des demokratischen „Widerstands“ profilieren, an Glaubwürdigkeit verlieren, wenn sich dieser Widerstand in einer bestimmten Position gegenüber Themen wie der angemessenen Höhe von Arbeitslosengeld äußert – die zwar wichtig, aber für die Demokratie an sich kaum entscheidend sind. Da in Demokratien immer mit vielen legitimen Meinungsverschiedenheiten umgegangen werden muss, führt die Gewohnheit, jeden Artikel mit einer – progressiven oder konservativen – Agenda zu versehen, nicht nur zu einer einseitigen Berichterstattung. Sie ist auch ein Ausdruck der Arroganz gegenüber den Mitbürgern, denen anscheinend nicht zugetraut werden kann, sich ihre eigene Meinung zu bilden. Es mangelt nicht an Aufregung darüber, dass die Öffentlichkeit den Medien „immer weniger vertraut“, aber diese Beziehung ist beidseitig.
Anstatt das Thema unter dem Motto „Journalismus gegen Aktivismus“ zu betrachten, wäre es nützlicher, zwischen Berichterstattung und Anwaltschaft (advocacy) zu unterscheiden (letztere ist nicht dasselbe wie der „Meinungsjournalismus“ von Kommentatoren, die sich routinemäßig zu allen möglichen Themen äußern). Beide Ansätze müssen auf Fakten beruhen, und beide erwarten von ihrem Publikum, geistig offen zu bleiben. Während Reporter hauptsächlich informieren wollen, konzentrieren sich die Vertreter des anwaltschaftlichen Journalismus darauf, zu reformieren; aber dies muss sie nicht davon abhalten, investigativ zu arbeiten – im Gegenteil, es ist häufig das, was dieser Arbeit ihre Kraft verleiht.
Kritiker des anwaltschaftlichen Journalismus stellen sie als Gegensatz zur vertrauenswürdigen und ausgewogenen Tatsachenberichterstattung dar. Aber gute Journalisten dieser Art werden natürlich das anstreben, was Carl Bernstein die „beste erreichbare Version der Wahrheit“ genannt hat. Man muss sich nur Ida B. Wells anschauen, die wiederholt ihr Leben riskiert hat, um akribisch über die Lynchjustiz im amerikanischen Süden zu berichten. Sorgfältige und akkurate Berichterstattung war geradezu die Grundlage für ihre Kampagne und nicht irgendwie ihr Gegenteil.
Was anwaltschaftlichen Journalismus von reiner Reportagearbeit unterscheidet, ist, dass er über die Darstellung der Tatsachen hinaus geht und sich um eine Gemeinschaft von Anhängern bemüht. Um Unterstützung für einen bestimmten Zweck aufzubauen, war es schon immer am besten, dauerhaft über und für ihn zu berichten. Solange dieser Prozess offen stattfindet, muss er dem journalistischen Berufsethos nicht widersprechen.
Der entscheidende Punkt beim Fox-News-Skandal ist nicht, dass sich Fox eindeutig als parteiisch erwiesen hat, sondern, dass die „Stars“ und Produzenten des Senders wussten, dass die Behauptungen über eine „gestohlene“ Wahl falsch waren, und sie trotzdem verbreitet haben. Quoten und Gewinne waren dabei wichtiger als Tatsachen. Diese Priorität wurde auch auf dem Höhepunkt der COVID-19-Pandemie offensichtlich: Während sich die Sprecher bei Fox auf dem Bildschirm für „Freiheit“ und die „Öffnung der Wirtschaft“ einsetzten, blieben die Büros des Senders geschlossen, und seine Beschäftigten wurden gebeten, von zu Hause aus zu arbeiten.
In professionellen Nachrichtenorganisationen (einer Kategorie, zu der Fox offensichtlich nicht gehört) haben sowohl Reporter als auch anwaltschaftliche Journalisten Platz. Der entscheidende Punkt dabei ist, dass das Publikum einer solchen Organisation erkennen kann, worum es geht – also welche redaktionellen Entscheidungen sie trifft und auf welche Weise sie Geld verdient. Diese Kriterien können leichter erfüllt werden, wenn Medienorganisationen Publikumsredakteure haben, die die Sorgen des Publikums ernst nehmen und so Vertrauen schaffen.
Natürlich ist Vertrauen, wie Pippa Norris von der Harvard University bemerkt, kein Wert an sich. Viele Menschen haben während der Pandemie Online-Quacksalbern und COVID-Leugnern vertraut, und manche nehmen immer noch völlig ungeeignete Medikamente wie Ivermectin, weil sie von Donald Trump und Jair Bolsonaro als Heilmittel empfohlen wurden. Was eine Demokratie von ihren Bürgern fordert, ist laut Norris ein „skeptisches Vertrauen“, das nicht auf zynischem Misstrauen oder Leichtgläubigkeit beruht, sondern auf der offensichtlichen Kompetenz und Integrität von Institutionen.
Indem sie sich auf ihr Publikum einlassen und ihre Agenda und Berichterstattung offen vertreten, können Medienorganisationen das Vertrauen dadurch steigern, dass sie ihre eigene Vertrauenswürdigkeit beweisen. Reporter und anwaltschaftliche Journalisten müssen – ebenso wie Kolumnisten und freie Mitarbeiter wie Lineker – objektiv sein, sich also um Genauigkeit bemühen. Aber wenn Journalisten eine Sache unterstützen und dafür eine Community aufbauen, sind sie nicht automatisch „voreingenommen“. Nehmen Autokraten die freie Meinungsäußerung und die Presse unter Beschuss, kann schließlich auch die Tugend der Unparteilichkeit zu einem Laster werden.
Aus dem Englischen von Harald Eckhoff
Quelle: Jan-Werner Müller Bild: piqd | Project Sy... www.project-syndicate.org
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"Nehmen Autokraten die freie Meinungsäußerung und die Presse unter Beschuss, kann schließlich auch die Tugend der Unparteilichkeit zu einem Laster werden." Der letzte Satz über eine extreme Situation entlarvt den Beitrag als das, was er ist: ein Versuch, Einseitigkeit, Ausgrenzung und Diffamierung zu rechtfertigen. Im freien Westen gibt es keine "Autokraten". Und nur darum geht es. Schon immer muss das Bemühen um nüchternen, fairen, wahrhaftigen und objektiven Journalismus ein Versuch bleiben. Ausgewogenheit bedeutet, alle (nicht nur "beide") Seiten, die relevant sind, erkennbar zu machen. "Both-sideism" oder "false-balancing" sind nur Mittel, um parteiischen und ideologisch infizierten Journalismus zu verteidigen. Journalisten dürfen keine Aktivisten sein, sonst sind sie Aktivisten, die journalistisch agitieren. Und das hat im klassischen, also dem guten und wertvollen Journalismus nichts verloren.
Das sind sie bereits. Was sie ehrlicher erscheinen lassen könnte, wäre, wenn sie ihre politische Zugehörigkeit auflisten würden, die Ursachen, für die sie sich einsetzen oder für die sie Geld gegeben haben, und ihre Listen von Wahrheiten.