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Kurator'in für: Europa Fundstücke Kopf und Körper
Ich lebe in Marburg und schreibe über Gesundheit und Gesundheitspolitik.
Vor Kurzem hatte ich hier schon einmal einen Beitrag empfohlen, in dem es um neurologische Symptome bei Covid-19 ging. Inzwischen gibt es immer mehr Anzeichen, die dafür sprechen, dass die Krankheit auch bei milden Verläufen zu schweren neurologischen Schäden führen kann.
In New York fiel einem Arzt ein Patient auf, der einen schweren Schlaganfall bekommen hatte: 44 Jahre alt und Corona-positiv. Bei dem Versuch das riesige Blutgerinnsel in einer der großen Hirnarterien zu entfernen, bemerkte der Neurologe, dass sich sofort neue Blutgerinnsel bildeten. Ein Phänomen, das völlig unbekannt ist.
Andere Patient:innen in den 30igern, 40igern und 50igern, die ebenfalls Schlaganfälle erlitten hatten und Corona-positiv getestet waren, hatten zum Teil mehrere Blutgerinnsel im Kopf, auch in Venen – was sehr ungewöhnlich ist, weil Schlaganfälle normalerweise durch verlegte Arterien entstehen.
Vor allem jüngere Menschen, die wenige Covid-Symptome haben, hatten nachdem es ihnen eigentlich wieder besser ging, solche untypischen und schweren Schlaganfälle bekommen. Auch wenn die Anzahl solcher Vorfälle recht gering ist, so ist das sehr auffällig. Auch in Deutschland kennt man solche Fälle.
Was diese Beobachtung zeigt: Ob milde Verläufe bei Covid-19 von jüngeren Patient:innen wirklich immer so harmlos einzuschätzen sind, ist noch nicht klar. Vielleicht handelt es sich bei diesem Schlaganfallphänomen nur um eine Korrelation. In jedem Fall ist es aber eine bemerkenswerte.
Quelle: Ariana Eunjung Cha EN washingtonpost.com
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Das Problem ist definitiv größer, wie Obduktionsergebnisse aus Deutschland nun auch zeigen. Nun geht es darum herauszufinden, mit welcher Behandlung man frühzeitig gegensteuern kann. Ob die gängigen blutverdünnenden Medikamente auch bei leichten Verläufen eingesetzt werden können, also mehr nutzen als schaden. Das noch zur Ergänzung, weil die Frage, wie relevant das Phänomen ist, hier ja diskutiert wurde https://www.tagesschau...
Ohne diesen PIQ gelesen zu haben, habe ich einen Tag später einen Artikel über Blutgerinnselneigung bei COVID-19-Patienten gepiqt. Dort wurde eine Verhältniszahl berichtet: ein Drittel der Patientengruppe einer Studie habe Thrombose-Komplikationen gehabt. Das deutet darauf hin, dass das kein Miniproblem ist. Siehe auch https://www.sciencedai....
Die Information ist für uns wichtig, weil sie uns dazu bringen kann, aufmerksam für thrombosebezogene Störungen bei uns zu werden (Herzinfarkt, kogninitive und motorische Ausfälle bei Schlaganfall).
Für Mediziner ist sie natürlich noch viel wichtiger, weil sie die "best practice" - Diagnostik und - Behandlung beeinflusst.
Mich stört es im Allgemeinen an der ganzen Thematik, dass wir meilenweit entfernt von jeglichem rationalen Diskurs sind. Es gibt sehr klare Fakten (d.h. Irrtumswahrscheinlichkeit sehr gering), es gibt sehr relevante Faktoren (weil auf viele Fälle zutreffend) und es gibt das Gegenteil von all dem. Anstatt, dass da Ordnung reinkommt (und die Lage bleibt selbst dann komplex genug, dass sie sehr viele nicht verstehen werden), wird in den vergangenen Wochen im Dauerfeuer spekuliert über alle möglichen Dinge.
Im speziellen stört mich an diesem Artikel, dass er wirklich genau solche Spekulation und Aufmerksamkeitsheischerei schon wieder zu sein scheint. Es spricht dem Artikel nach vieles dafür, dass das Phänomen zwar tatsächlich eine erschreckende, kritische Nebenwirkung von Covid19 sein könnte. Aber die wenigen Zahlen (per se schon bemerkenswert, auch wenn zu einem gewissen Maß entschuldbar, weil unerforscht) und Fakten, die dazu vorhanden sind, lassen eigentlich NUR den Schluss zu, dass man davon ausgehen muss, dass es eine höchstseltene (selbst wenn gefährliche) Nebenwirkung ist. 12 Fälle im größten Krankenhaus von NYC (in welchem Zeitraum?) plus eine gewisse Dunkelziffer (verfrühte Tode werden häufig untersucht, die Dunkelziffer kann, denke ich, nicht gigantisch sein). Das ist in Relation erstmal garnichts. Natürlich kann sihc das auch ändern und DANN kann man darüber so berichten, wie es hier geschieht. Jedes Jahr sterben junge Menschen an Kartoffelschälern, vllt 12 in NYC, aber wieviel Aufmerksamkeit sollte man daher Kartoffelschälern in der öffentlichen Debatte schenken? Die Frage (abgesehen von Klärung der Kausalität), ist also, ob es ein relevantes Phänomen ist. Scheint nicht so zu sein. Wissenschaftliches Interesse an dem Phänomen ist natürlich absolut gerechtfertigt und auch, dass die Krankenhäuser es versuchen, systematisch zu klären.
Aber bis hier mehr darauf hinweist, dass es ein relevantes, d.h. häufiger als, sagen wir mal in 3% der Fällen auftretendes Phänomen ist, ist auch dieser Artikel nur ein weiterer von vielen, die der öffentlichen Meinungsbildung nicht nur nicht zuträglich sondern sogar destruktiv sind. Zumindest sollte der/die AutorIn ganz klar und deutlich machen, wie gering die Zahlen in Relation sind (denn Relationen scheinen für viele ein sehr kompliziertes Konzept zu sein). Passiert aber nicht....
Offenbar wird dieser piq kontrovers wahrgenommen. Mich würde interessieren, warum. Ideen? Begründungen?