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Kurator'in für: Europa Volk und Wirtschaft
Jahrgang 1953
Studium der Elektrotechnik und Elektronik
Forschung / Lehre auf dem Gebiet der Wissenschafts- und Innovationstheorie
Entwicklung von Forschungsprogrammen im IKT-Sektor für verschiedene Bundesministerien und Begleitung der Programme und Projekte - darunter Smart Energy, Elektromobilität, netzbasiertes Lernen, Industrie 4.0
Nun im Un-Ruhestand
China gilt als ein militärischer und wirtschaftlicher Hauptakteur im Ringen um die Weltherrschaft. Aggressiv, wachstumsstark, nicht aufzuhalten. Geprägt von schnellen Innovationen im Alltagsleben und den verschiedenen Infrastrukturen. So berichtete Frank Sieren vor einiger Zeit in der WELT:
China hat in 15 Jahren das mit 40.000 Streckenkilometern größte Hochgeschwindigkeitszugnetz der Welt aufgebaut. Nun soll das Netz über Laos und Thailand bis nach Singapur erweitert werden. Im Februar 2022 fuhr bereits der erste Güterzug von Kunming in der chinesischen Provinz Yunnan via Laos bis nach Bangkok. In nur 55 Stunden, einen ganzen Tag schneller als bisher. Für Laos und Thailand ist es die erste Hochgeschwindigkeitsstrecke überhaupt – eine Zäsur für Südostasien.
Nicht nur für Reisende gelte:
Wer nicht der chinesischen Sprache mächtig ist, kann mit jedem normalen Smartphone und einer App Texte und Schilder scannen und erfährt Sekunden später, was darauf steht. Ebenso schnell kann das Handy gesprochene Sprache übersetzen – immer und überall, auch ohne WLAN. Die bereits hohe 5G-Abdeckung macht es möglich. Inzwischen sind chinesische Entwickler nicht mehr weit vom mobilen Simultanübersetzer entfernt, also vom berühmten Knopf im Ohr, der in Echtzeit Fremd- in Muttersprache übersetzt. Bis 2030 will China den 6G-Standard etabliert haben. Wer dann nach China reist, wird sich wahrscheinlich in einer völlig anderen Welt wiederfinden. …. Reisende werden dann die ersten Trassen nutzen können, auf denen Züge mit 800 Kilometern pro Stunde fahren, sie werden vom Flughafen zum Hotel in einer Drohne ohne Piloten fliegen. ….. Im April dieses Jahres hat die Regierung beschlossen, Shanghai und die Zehn-Millionen-Metropole Hangzhou werde bis 2035 mit einer Vakuumröhre verbunden, durch die dann Hochgeschwindigkeitszüge mit 800 Kilometern pro Stunde plus fahren können. Die Züge sollen so schnell werden, dass sie Flugzeuge ersetzen und so den Klimawandel bremsen. Eine Revolution in der Geschichte der Bahn.
Und doch hört man daneben immer wieder Analysen und Meinungen, wie folgt:
Was die Demografie betrifft, hat die Volksrepublik China das geopolitische Ringen mit Westen im Grunde schon verloren. Die Entwicklung ist dramatisch: Am Ende des 21. Jahrhunderts wird sich die Bevölkerung des Landes mehr als halbiert haben.
Ist das nur westliches Pfeifen im Wald, um die scheinbar immer drohendere Übermacht nicht sehen zu müssen? Einerseits scheint China die aktuelle Wirtschaftskrise zu überwinden, wenn auch langsamer als gedacht. Aber langfristig droht ein ganz anderes, katastrophales Szenario. Dazu Heribert Dieter im empfohlenen NZZ-Artikel:
Dabei schwebt über allen Zukunftsszenarien die tiefgreifende demografische Krise des Riesenlandes. China wird nicht nur alt, bevor es reich wird, es verliert auch wegen des sich beschleunigenden Bevölkerungsrückgangs das geopolitische Ringen um die globale Vorherrschaft mit den USA. Nach Prognosen der Uno, die im Juli 2024 veröffentlicht wurden, wird die Bevölkerung der Volksrepublik von gegenwärtig etwa 1400 Millionen Menschen auf rund 640 Millionen Einwohner im Jahr 2100 zurückgehen.
Eine solche Implosion der Bevölkerung kennt man eigentlich nur aus Kriegszeiten und den Pandemien des Mittelalters. Interessanterweise ist das die ungewollte Folge eines großen planerischen Eingriffes in die Gesellschaft. Der selbst auf einer Bevölkerungsprognose beruhte:
Song Jian, ein Ingenieur und in den späten neunziger Jahren Präsident der Akademie der Ingenieurwissenschaften, und der Ökonom Tian Xueyuan sagten Ende der siebziger Jahre einen Anstieg der chinesischen Bevölkerung auf 4200 Millionen Menschen bis zum Jahr 2080 voraus und rieten der Regierung, drastische Massnahmen zur Dämpfung des Bevölkerungswachstums zu ergreifen. Das Ergebnis war die 1979 implementierte Ein-Kind-Politik, die mit zahlreichen einschneidenden Methoden die Geburtenraten in China senkte.
Der Erfolg war überwältigend und scheint nicht mehr zu stoppen. Die Geburtenraten bleiben auch nach der Aufhebung der Ein-Kind-Politik niedrig, die Gesellschaft altert dramatisch:
Im Jahr 2050 werden die über 60-Jährigen knapp 40 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Chinas von der Kulturrevolution ohnehin geschwächte konfuzianische Traditionen wurden mit der Ein-Kind-Politik mehr als nur untergraben. Die Familie, im konfuzianischen China stets sehr viel bedeutender als der Staat, verlor durch die Ein-Kind-Politik mangels Gewicht stark an Relevanz.
Ein Lehrstück für die Hybris solcher gewaltigen, ja gewaltsamen staatlichen Eingriffe in soziale Entwicklungen. Nebenwirkungen und ungewollte Rückkopplungen scheinen oft nicht beherrschbar.
Wie Dieter konstatiert, ist dieser Prozess im Alltag schon spürbar. Die Erwartungen an die Zukunft gehen zurück, das Land wird depressiver. Wirtschaftliche Fehler, wie der völlig überzogene Immobilienboom, ziehen die Stimmung der Verbraucher nach unten - es wird weniger konsumiert.
Auch für seine geopolitischen Ambitionen braucht China eigentlich eine wachsende oder zumindest stabile Bevölkerung.
Das Paradebeispiel sind die Vereinigten Staaten, die Mitte des 19. Jahrhunderts gerade einmal 23 Millionen Einwohner hatten und heute mit rund 334 Millionen eine grössere Bevölkerung aufweisen als Deutschland, Frankreich, Italien, Polen und Grossbritannien zusammen. Während Chinas Bevölkerung schrumpft, werden sowohl die USA als auch der asiatische Rivale Indien bevölkerungsmässig wachsen.
In den USA wird lt. Prognosen die Bevölkerung (vor allem durch Zuwanderung) auf 421,3 Millionen Menschen zum Ende dieses Jahrhunderts angestiegen sein. Der Unterschied zwischen der amerikanischen und der chinesischen Bevölkerung würde dann statt heute etwa 1100 Millionen nur noch etwas über 200 Millionen Menschen betragen. Auch mit sehr viel Migration könnte China dies kaum aufhalten.
Man fragt sich, ob dies der chinesischen Führung in ihren Planungen wirklich bewusst ist? Ich denke mal ja. Aber was werden sie daraus ableiten? Noch schnell versuchen globale Machtpositionen zu besetzen - etwa in Taiwan?
Das Resümee des Artikels:
Glaubt man den vorliegenden Prognosen, haben Indien und die USA das Wettrennen mit der Volksrepublik China um weltweite Dominanz vermutlich schon heute gewonnen. China wird aussenpolitisch und wirtschaftlich einen langsamen und zähen Abstieg erleben. Der bereits jetzt erkennbare demografische Niedergang wird sich Mitte des Jahrhunderts deutlich beschleunigen. Ähnlich wie in Japan werden sich in China Stagnation und Verfall ausbreiten. Viele ältere Menschen werden auf sich allein gestellt in sozialer Isolation und mit geringer Unterstützung durch ihre Familien zu leben haben. Und ähnlich wie im Falle Japans wird bei China die Panik vor der aufsteigenden Übermacht der Sorge um eine Gesellschaft im Dämmer des Abstiegs weichen.
Quelle: Heribert Dieter Bild: NZZ ohne Angabe www.nzz.ch
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Kleine Ergänzung:
„Man kann eine wohlhabende Volkswirtschaft nicht planen“, warnt auch Stanford-Ökonom Rozelle. Er und andere Beobachter erwarten, dass China so enden könnte wie Japan in den 1980ern und 1990ern. Damals habe Japan auf Autos, Elektronik und Chemie gesetzt und sei tatsächlich zum weltbesten Produzenten in diesen Branchen geworden.
Sie waren allerdings Inseln technischer Exzellenz inmitten eines Meeres volkswirtschaftlicher Probleme. Nach dem Zusammenbruch der Immobilienblase kämpfte die Wirtschaft jahrzehntelang mit Stagnation, Deflation und Zombie-Unternehmen. Auch dort fehlten Wille und Kraft für Reformen. „Spitzenbranchen und rundherum wirtschaftliche Malaise, so wird China in diesem und im nächsten Jahrzehnt aussehen“, sagt Oxford-Ökonom Magnus.
Für China könnte es erst einmal weitergehen wie bisher. „Eine Umkehr der wirtschaftspolitischen Prioritäten braucht man nicht zu erwarten“, sagt Merics-Ökonom Zenglein. „Die Rechnung für diese Politik zahlt die Mittelschicht. Ihre Verluste auf dem Immobilienmarkt, die Arbeitslosigkeit und die Unsicherheit über die Lohnentwicklung führen zu einer Verunsicherung und Zurückhaltung beim Konsum, wie sie China bisher nicht kannte.“ ….
https://www.welt.de/wi...
Zur Ergänzung:
"Das Pensionsalter ist in China seit den fünfziger Jahren keinen Zentimeter gewankt, dabei hat sich die durchschnittliche Lebenserwartung seither verdoppelt und liegt heute bei knapp 80 Jahren. Trotzdem treten Chinesinnen wie damals mit 50 bis 55 Jahren in den Ruhestand, Männer mit 55 bis 60 Jahren. Das niedrige Pensionsalter gilt für Personen, die harte körperliche Arbeit verrichten, zum Beispiel auf dem Bau.
Das Rentensystem in China deckt über eine Milliarde Menschen ab. Sie dürfen eine Rente beziehen, wenn sie für mindestens 15 Jahre Sozialbeiträge geleistet haben. Die Rentenbeiträge in China sind tief und decken die Lebenshaltungskosten nur zum Teil, zudem gibt es massive Unterschiede zwischen Stadt und Land. Ein Rentner in Peking kann mit umgerechnet über 450 Dollar monatlich rechnen plus Vergünstigungen, wie Gratiseintritte in Parks. Am anderen Ende der Skala steht der Wanderarbeiter, der kaum Sozialversicherungsbeiträge geleistet hat, er erhält das Minimum von umgerechnet 25 Dollar pro Monat."
https://www.nzz.ch/int...
Der Erstzitierte ist weniger China-Experte als eine Art Science-Fiction-Schriftsteller, der die staatlichen Narrative sogar noch übertreibt. In Sierens China fliegt man schon längst mit autonomen Flugtaxis zur Arbeit. China-Tech rettet und revolutioniert die Welt. Und die damit einhergehende Überwachung wollen die meisten Chinesen so, weil sie sich dann sicherer fühlen.