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Europa

China und Europa – ein Fall für die Entkopplung?

Thomas Wahl
Dr. Phil, Dipl. Ing.
Zum Kurator'innen-Profil
Thomas WahlDonnerstag, 09.02.2023

Die letzten Jahre haben die Kehrseite der Globalisierung offenbart. Die Gefahr einseitiger Abhängigkeit auch bei strategischen Ressourcen und von der Arbeitsteilung. Im Falle Russlands hat man mit der Abkopplung von den Öl- oder Gaslieferungen reagiert. Nun rückt China in den Mittelpunkt der Betrachtung. Und ein neuer Begriff macht die Runde: „Friend-Shoring“ – der Handel, die Wertschöpfungsketten sollen auf befreundete Staaten konzentriert werden. 

Aber es geht um mehr als um die Sicherung von Rohstoffen und Vorprodukten. Es geht um Geopolitik. Die Idee zum Friendshoring kommt ursprünglich aus den Vereinigten Staaten. Sie wollen damit vor allem eine Allianz gegen ihren neuen Hauptgegner China schmieden.

In den USA wird Friend-Shoring daher nicht so sehr im traditionellen Sinne des Wortes als "protektionistisch", sondern als ein Problem der nationalen Sicherheit gesehen. Als Schutz gegen ein zunehmend aggressives China.
Friend-shoring is a great idea. Economies never really worked as isolated units where each country makes everything for itself, but in the modern day, imagining that America can or should make everything it consumes, and consume everything it makes, is pure fantasy. We need international supply chains, period.
Und wenn Amerika internationale Lieferketten braucht, so Noah Smith, sollten diese mit Ländern geknüpft werden, die entweder direkte Verbündete (wie Südkorea, Japan, Mexiko und Frankreich) oder verbundene Länder (wie Indien, die Philippinen und Taiwan) sind. Auch Länder, die sich vor der zunehmenden chinesischen Macht bedrängt fühlen, wie vielleicht Vietnam, kämen in Betracht. Man könnte sagen, Friend-Shoring bedeutet nur "fast überall außer China". Auch wenn die EU Biden vorwirft, mit dem „Inflation Reduction Act“ (IRA) europäischen Unternehmen zu schaden.

Die großen europäischen Unternehmen scheinen dabei in eine gewisse Zwickmühle zu geraten. Ein Rückzug der Großindustrie aus China ist allerdings nicht zu beobachten. Sie ist im Gegenteil eher auf Expansionskurs:

Der Chemiekonzern BASF will bis Ende des Jahrzehnts 10 Milliarden Euro in seinen Standort im südchinesischen Zhanjiang stecken. Volkswagen investiert 2,4 Milliarden Euro in ein Gemeinschaftsprojekt mit einem chinesischen Unternehmen. BMW will mehr als eine Milliarde Euro in die Hand nehmen, um sein Batteriemontagewerk im Norden Chinas zu vergrößern. Und der Autozulieferer Bosch hat gerade bekannt gegeben, dass er eine Milliarde Euro in ein neues Werk bei Schanghai investieren will.

Diese Unternehmen setzen wohl zukünftig eher auf Regionalisierung der Lieferketten, es soll „in China für China“ produziert werden. Groß genug sind das Land und der Binnenmarkt. Auf der anderen Seite sieht man:

In China investieren heute vor allem diejenigen (europäischen T.W.) Unternehmen, die dort schon eine nennenswerte Präsenz haben. Neue Markteintritte sind selten geworden.

Für den Mittelstand scheinen hingegen die Risiken zu überwiegen. Deren neue Projekte liegen eher in Malaysia, Thailand, Indien und Vietnam. Eine Analyse der Rhodium Group etwa

zeigt, dass zwischen 2018 und 2021 etwa 80 Prozent der europäischen Direktinvestitionen in China von nur zehn Unternehmen kamen. Im Jahrzehnt davor waren es 49 Prozent. An der Spitze der Investoren stehen vier deutsche Konzerne: Volkswagen, Mercedes-Benz, BMW und BASF, die zusammen für mehr als ein Drittel der europäischen Direktinvestitionen verantwortlich sind.

Die FAZ diskutiert auch, wie die europäische Industrie mit dem größten Schreckensszenario umgehen könnte, mit dem chinesischen Überfall auf Taiwan. Hier scheint noch viel Verdrängung am Werk:

Eine militärische Eskalation sei schließlich nicht die einzige mögliche Entwicklung. Wahrscheinlicher sei eine wirtschaftliche Eskalation, mit Sanktionen oder Boykotten. „Mit diesem Thema hat man sich noch nicht genug beschäftigt. Eine Chinastrategie ohne Taiwanszenarien ist eine Strategie für den Papierkorb.“

Bleibt die andere wichtige geostrategische Frage: Wie verlässlich sind die USA als Partner? Zwar haben sich die Verhältnisse nach Trumps Abgang als Präsident verbessert

aber in der Chinapolitik gibt es kaum Unterschiede zwischen Trump und Biden. Deshalb bleibt die Hauptsorge der Europäer, irgendwann vor die Wahl gestellt zu werden: sich entweder gemeinsam mit den Amerikanern gegen China zu stellen – oder nicht mehr als Partner angesehen zu werden.

Sicher fragen sich auch die USA, wie sehr kann man sich auf Europa verlassen? War doch 2021 China das sechste Mal in Folge z.B. Deutschlands wichtigster Handelspartner.

Im Jahr 2021 wurden nach endgültigen Ergebnissen Waren im Wert von 246,5 Milliarden Euro zwischen Deutschland und der Volksrepublik China gehandelt (Exporte und Importe). … Auf den Rängen zwei und drei folgten die Niederlande mit einem Warenverkehr in Höhe von 206,2 Milliarden Euro und die Vereinigten Staaten mit einem Außenhandelsumsatz von 194,3 Milliarden Euro.

Eigentlich hilft dagegen nur ein einiges, militärisch und wirtschaftlich starkes Europa, dass zu seinen Werten und Verbündeten steht. Und dadurch nicht erpressbar ist.


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Kommentare 5
  1. Thomas Wahl
    Thomas Wahl · vor fast 2 Jahre

    Man kann es auch so formulieren:
    "die vergangenen drei Jahrzehnte waren wirtschaftlich davon geprägt, dass die westlichen Industrie-Staaten und Japan ihre Produktionen in Schwellenländer vor allem nach China verlagerten. Im Idealfall war das eine Win-Win-Situation. Die Unternehmen, die nun in China produzieren ließen, machten mehr Gewinne. Für die Konsumenten im Westen wurden Produkte billiger. In den Schwellenländern stiegen Löhne und das Bruttosozialprodukt.

    Kein anderes Land hat diesen Megatrend besser für sich genutzt als China. Die kommunistische Partei Chinas ist es gewohnt, langfristig zu denken. Man wusste die Zeit auf seiner Seite. 2030 spätestens, so lauteten die Prognosen, würde China die USA als größte Volkswirtschaft abgelöst haben. Anders als die USA mit ihrem aufgeblasenen Finanz- und Servicesektor handelt es sich aber um echte Produktionskapazitäten. Alle weiteren Entwicklungen wie Hegemonie im asiatischen Raum und Ablösung des Dollars als Leitwährung würden sich daraus ergeben.

    Es dauerte im Westen einige Jahre, bis man erkannte hatte, dass die Globalisierung auf Dauer die eigene Vormachtstellung untergrub."

    https://blingbling.sub...

  2. Hermann J. F. König
    Hermann J. F. König · vor fast 2 Jahre

    Es ist nicht zu fassen, wie unkritisch wir das Verhalten der USA sehen. Wer war denn in den vergangenen Jahrzehnten der primäre globale Aggressor in der Welt, China oder die USA?

    1. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor fast 2 Jahre

      Ich würde sagen keiner von beiden ….. Aber auch das besagt ja nichts über das Verhalten in Gegenwart und Zukunft oder über die strategischen Ziele der Gesellschaften.

    2. Hermann J. F. König
      Hermann J. F. König · vor fast 2 Jahre

      @Thomas Wahl Dann sehen Sie sich doch mal die Liste der Militäroperationen der USA im Vergleich mit China an.

    3. Thomas Wahl
      Thomas Wahl · vor fast 2 Jahre · bearbeitet vor fast 2 Jahre

      @Hermann J. F. König Militäroperationen sind nicht gleich Aggression. Und interne Aggressionen gegen eigene Bevölkerung tauchen da auch nicht auf - Tian’anmen-Platz, Tibet etc.

      Oder eben der Irak mit seinen Kriegen, Nordvietnam, dass den Süden erobert hat (bewaffnet durch China und UdSSR), Koreakrieg, Rußland ….

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