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Kopf und Körper

Abtreibungen erhöhen das Risiko für psychische Krisen nicht

Silke Jäger
Freie Medizinjournalistin

Ich lebe in Marburg und schreibe über Gesundheit und Gesundheitspolitik.

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Silke JägerMontag, 29.04.2024

Als 2022 der Oberste Gerichtshof der USA entschied, jahrzehntelang geltendes Abtreibungsrecht zu kippen (auch bekannt unter der Bezeichnung Roe vs Wade), bezog sich das Gericht unter anderem auf wissenschaftliche Studien, die nahelegten, dass Abtreibungen das Risiko für psychische Krisen dramatisch erhöhen. Das zeigt, wie wichtig wissenschaftliche Arbeiten für die juristische Beurteilung von politischen Anliegen sind. Doch was wäre, wenn die wissenschaftlichen Arbeiten fatale Fehler enthielten?

Genau das wirft nun eine Gruppe von Wissenschaftler:innen mehreren Studien vor, die auch bei der Entscheidung 2022 eine wichtige Rolle spielten. Der Fall ist ins Rollen geraten, nachdem vor Kurzem drei Studien zurückgezogen wurden, die sich mit der Sicherheit der sogenannten Abtreibungspille Mifepristone beschäftigten. Auch sie waren in Gerichtsverhandlungen zur Gesetzeslage herangezogen worden, damit sich die Richter ein Urteil bilden. 

Weitere vier Studien sehen die Wissenschaftler:innen sehr kritisch und verlangen ebenfalls, dass die Magazine, in denen sie veröffentlicht wurden, die Arbeiten zurückziehen. Da in den USA inzwischen Verhandlungen über Abtreibungen an der Tagesordnung sind, hält es die Kritiker-Gruppe für sehr wichtig, dass die Grundlage, auf der die Urteile beruhen, nicht durch Junk-Science beeinflusst wird, also durch Publikationsmüll.

Genau das seien die Studien, die herausgefunden haben wollen, dass Abtreibungen zu einem höheren Risiko für psychische Krisen führen. Denn sie hätten ernste methodische Fehler. Das sehen Wissenschaftler:innen verschiedener Disziplinen so, darunter auch Expert:innen in biomedizinischer Statistik. Die Methoden, die in diesen Studien benutzt wurden, sind ihrer Ansicht nach nicht dazu geeignet, zu Aussagen dieser Art zu kommen.

Stattdessen sei es wissenschaftlicher Konsens, dass die psychische Gesundheit nach einer Abtreibung vor allem dadurch bestimmt ist, wie sie vor der Abtreibung war. Außerdem seien Frauen, die ungewollt schwanger werden, immer psychisch belastet – egal ob sie abtreiben oder das Kind bekommen. Und: Frauen, die nicht abtreiben dürften, litten sowohl psychisch als auch finanziell. 

Der Text erklärt anhand von drei Beispielen, mit welchen Mitteln sich Autor:innen der kritisierten Studien zur Wehr setzen und welche Verbindungen zur Politik und zu finanzstarken Think Tanks vom rechten Rand und aus der evangelikalen Szene die Studien-Autor:innen haben. Dadurch sind sie zum Beispiel in der Lage, viel Geld für teure Anwält:innen auszugeben. Ein Magazin weigert sich deshalb beispielsweise, eine offensichtlich fehlerhafte Studie zurückzuziehen. Denn anders als die Autor:innen selbst verfügt es nicht über genug Gelder für die juristische Auseinandersetzung.

Das alles ist nicht nur für USA ein Problem, sondern auch für Europa, wie dieser Artikel im Online-Magazin opendemocracy zeigt. Denn Abtreibungsgegner investieren immer mehr Geld in Europa, um die Debatte zu beeinflussen. In Großbritannien diskutiert das Parlament gerade, ob Abtreibungen komplett aus dem Strafgesetzbuch gestrichen werden sollen – eine Debatte, die auch in Deutschland begonnen hat. Politiker:innen, die dafür sind, sind nun unter anderem mit Verschwörungsnarrativen und Bedrohungen konfrontiert. Abtreibungsgegner nutzen dafür auch Kontakte zu konservativen Politiker:innen und internationalen konservativen Netzwerken. 

In der Wissenschaft gibt es eigentlich etablierte Mechanismen, die dafür sorgen, dass Publikationsmüll entsorgt wird. Doch dieses Beispiel zeigt, dass diese Mechanismen nicht mehr greifen, wenn politische Interessen mit unlauteren Methoden durchgesetzt werden sollen. Dabei spielt auch das unsägliche Geschäftsmodell der Wissenschaftsmagazine eine bedeutende Rolle. Ein Experte schätzt, dass eigentlich eine von 50 Studien zurückgezogen werden müsste und nicht eine von 500, wie es derzeit der Fall ist.

Eine Wissenschaftlerin aus der Gruppe der Kritiker fasst es so zusammen:

We really need to be publishing fewer papers, better work, better science
Abtreibungen erhöhen das Risiko für psychische Krisen nicht

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Kommentare 1
  1. Theresa Bäuerlein
    Theresa Bäuerlein · vor 7 Monaten · bearbeitet vor 7 Monaten

    "We really need to be publishing fewer papers, better work, better science" - Amen, das wäre großartig. Danke für diese hochinteressante Empfehlung, die auch dann relevant ist, wenn man nicht am rechten Rand steht und/oder Abtreibungsgegner:in ist. So interessant und beunruhigend, wie die vermeintliche Sorge um das Wohlergehen von Frauen instrumentalisiert wird, um politische Ziele zu legitimieren, die ganz andere Beweggründe haben.

    Ist ein anderes Thema, aber ein Mann, mit dem ich mich einmal unterhalten habe, meinte im Gespräch, es sei doch total unfair, dass trans Frauen, die nie in ihrem Leben menstruiert hätten, sich als Frauen bezeichnen dürften – sie hätten ja nie das monatliche Leiden der "richtigen" Frauen durchmachen müssen. Ich wette meinen Hut darauf, dass er sich sein ganzes Leben lang noch keinen einzigen Gedanken um Menstruationsprobleme gemacht hat, nur beim Thema trans war er auf einmal ganz besorgt.

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