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Kurator'in für: Fundstücke Zeit und Geschichte
Seit der ersten Stunde als Kurator bei Forum dabei: Dirk Liesemer arbeitet als Journalist für Magazine wie mare und G/Geschichte. Er hat Politik, Philosophie und Öffentliches Recht studiert, die Henri-Nannen-Journalistenschule besucht, immer mal wieder in Redaktionen gearbeitet und ehrenamtlich eine Reihe von Recherchereisen mitorganisiert und begleitet. Bisher fünf Bücher, darunter "Café Größenwahn" (2023), ein Ausflug zu den großen Kaffeehausliteraten des Fin de Siècle. Foto: Andreas Unger
Genau das wollen wir ja eigentlich nicht, schon gar nicht hier bei Piqd, hier soll es ausgeruhter, sachlicher zugehen als in anderen, den lauten Ecken des Internets. Gelingt natürlich nicht immer, aber doch recht oft, oder? Folgt man der Frankfurter Professorin Ulrike Ackermann, die auch Direktorin des John Stuart Mill Instituts in Bad Homburg ist, dann ist die offene Gesellschaft zunehmend in Gefahr. Es zähle weniger das Argument als die Herkunft und die Gefühle eines Sprechers. Besonders an den Universitäten beobachtet sie einen Druck, sich konform zu verhalten. Nicht abzuweichen, im Zweifel auch nicht zu streiten, anders als etwa zu Zeiten der Studententumulte. Vieles, was sie sagt, ist sicher nicht neu, wurde hier auch schon häufiger thematisiert, manches mag auch übertrieben oder zugespitzt klingen, aber die Frage, die ganz am Ende gestellt wird, wie wir nämlich die Debattenräume im Internet wieder öffnen können, sie ist noch nicht gelöst wie man ganz aktuell denn auch im Falle von Twitter beobachten kann.
Das Interview ist leider kostenpflichtig, dummerweise steht es auch nicht auf Blendle, daher hier zwei Absätze:
Aber der Ansatz, den Fokus auf eine Minderheit zu lenken, der ist richtig?
Ursprünglich war es ein emanzipatorischer Ansatz, nämlich Schutz von Minderheiten und Stärkung ihrer Rechte. Doch wenn sich Menschen jetzt vornehmlich über Gruppenzugehörigkeiten definieren wie Hautfarbe, Sexualität oder ihre Religion und darüber ihre Rechte einfordern, ist dies ein enormer Rückschritt. Dann wird die Gruppenidentität wichtiger als die Gleichheit jedes Individuums und jedes Staatsbürgers vor dem Recht, gerade unabhängig von diesen Eigenschaften und Merkmalen. Aus dem emanzipatorischen Ansatz ist Ideologie geworden. Die Folge sind Zersplitterungen und Polarisierungen in der Gesellschaft.
Ja, die Minderheiten, mag man denken, jetzt wird wieder auf denen rumgehackt, aber es sind eben meist Minderheiten, die auf Missstände aufmerksam machen, die mutig Veränderungen anstoßen und sich damit exponieren und angreifbar machen. Das muss natürlich nicht weiter ein Problem sein, solange sich die Gruppen nicht in ihren Wahrheiten wie in einem Kokon einspinnen, was aber zuweilen und vielleicht auch zunehmend passiert, ohne dass dies von Journalisten sonderlich hinterfragt wird. Aus meiner Sicht fehlt es zu oft an Distanz, aber das nur am Rande. Zurück zum Interview, in dem es vor allem um die Polarisierung an den Hochschulen geht.
Wie kommen wir da wieder heraus?
Mit der Öffnung der Debattenräume. An den Hochschulen und Schulen muss es gelernt werden. Ich bin auch der Meinung, dass wir wieder viel mehr die Diskussionsforen von Angesicht zu Angesicht in der bürgerlichen Öffentlichkeit brauchen. Wir müssen zurück zu dem Grundsatz: Wir sind eine Gesellschaft. Natürlich gibt es Reibereien, Spaltungen und Interessenkonflikte, aber wir sind eine Gesellschaft. Dafür müssen wir wieder einstehen, unabhängig von Hautfarbe, sexueller Orientierung und Religion. Das wird von der Identitätspolitik von rechts wie von links massiv infrage gestellt. Ich bin überzeugt, wir müssen jetzt unsere offene Gesellschaft, unsere Demokratie verteidigen. Denn Angriffe auf die Freiheit kommen nicht nur aus Russland und China.
Einige solcher Diskussionsforen gibt es ja, manche Zeitungen experimentieren bekanntlich mehr oder weniger erfolgreich mit Formaten, aber da geht sicher noch mehr. Anlass für das Interview ist nicht die aktuelle Debatte um Twitter, Musk und Trump, sondern ihr neues Buch "Die neue Schweigespirale".
Quelle: Interview mit Soziologin Ulrike Ackermann Bild: Picture Alliance Artikel kostenpflichtig www.faz.net
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Die hier in der Diskussion angesprochenen Fragen, inwieweit überhaupt mit Rechten debattiert werden sollte, sind hoch aktuell. Bei den Bemühungen für eine Reform des Einbürgerungsrechts wird gerade die Besorgnis über das „Verramschen der deutschen Staatsbürgerschaft“ vorgebracht – und das von einem nicht ultrarechten Politiker: www.deutschlandfunk.de...
Wie sollen solche Äußerungen den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken?
Aber bleiben wir bei der Wissenschaft.
2011 veröffentlichte der Althistoriker Egon Flaig einem Beitrag in: „Singuläres Auschwitz? Ernst Nolte, Jürgen Habermas und 25 Jahre ,Historikerstreit'“, hrsg. von Mathias Brodkorb, Banzkow 2011. Auf www.faz.net/aktuell/fe... wurde ein gekürzter Auszug publiziert, womit dem Text die größtmögliche Verbreitung ermöglicht wurde. Flaig, über den bereits in mehreren piqs diskutiert wird, wirft Habermas „Tricks, die sonst dem Lumpenjournalismus vorbehalten waren“ vor und bezeichnete das Gedenken an die Shoa als „quasi-religiöse Sinnstiftung“.
Flaigs Gedankenspiele sind empörend, und beim Lesen hatte ich vor Augen, welche Reaktion er bei Überlebenden oder ihren Nachkommen wohl auslösen würde, sollte er ihnen in die Hände kommen. Und in welchen fanatischen Rausch Extremisten verfallen könnten.
Im vorliegenden Fall hat der Autor m. E. die rote Linie überschritten. In diesem kleinen Band erschienen u. a. auch Gespräche des Herausgebers mit Ernst Nolte und seinem Schüler Wolfgang Wippermann. Über Jürgen Habermas wurde nur diskutiert, er lehnte eine Beteiligung ab.
Hat Frau Ackermann an solche Situationen auch gedacht? Extreme Positionen von Autoren sind oft aus deren Publikationen bekannt. Ist es gut oder hilfreich, dass die FAZ so etwas reproduziert - unkommentiert? Und wie könnte Habermas' philosophisches Konzept helfen, wenn die Kommunikation zwischen Wissenschaftlern nicht funktioniert?
Habermas steht für die Einheit von Persönlichkeit eines Wissenschaftlers und seines Werks in den Geisteswissenschaften aufgrund ihrer besonderen Funktion in der Vermittlung von Orientierungswissen. Die Frage, welche Wissenschaftler zu bestimmten Debatten herangezogen werden sollen und können, ist daher von außerordentlicher Brisanz und manchmal von hoher Relevanz. Im Interview über Kommunikative Vernunft https://publishup.uni-... (2016) erörtert Habermas auf S. 818 f. die Begriffe Wahrheit und Richtigkeit. Auf S. 819 f. erklärt er, wie wir aus negativen Erfahrungen, sowohl aus einer enttäuschten Erwartung wie von dem Widerspruch eines Diskussionspartners, lernen. Auf S. 808 nennt Habermas Akzeptanz als Voraussetzung kommunikativen Handelns.
Dieses Interview mit Christoph Demmerling und Hans-Peter Krüger ist ausführlicher als ein bereits gepiqtes des gleichen Jahres mit Michaël Fœssel (www.eurozine.com/kriti... ) und wiederholt dessen Thesen.
In der Praxis sehe ich viele offene Fragen.
Sind wir schon wieder bei "Mit Rechten reden!" oder soll diese Diskussion zur Abwechslung doch woanders stattfinden?
Vielen Dank, ein wichtiges Interview.
Da Ulrike Ackermann auch Russland erwähnt, denke ich sofort an ein altes Sprichwort, das im russischen Sprachraum besonders verbreitet ist: „Im Streit wird die Wahrheit geboren“. Verschiedene Quellen schreiben seine Herkunft Georgien zu. Bisher nahm ich ausschließlich den zivilisierten Gebrauch im intellektuellen, und keinesfalls kämpferischen oder gar kriegerischen Sinne wahr. Noch bekannter ist: „Im Krieg stirbt die Wahrheit zuerst“ – mit unmittelbarer fataler Wirkung, wie wir es heutzutage wieder erleben müssen.
Leider befeuern auch Wissenschaftler, die in überregionalen privaten wie auch öffentlich-rechtlichen Medien nicht nur ausnahmsweise zu Wort kommen, die Konfliktsituation um die Cancel Culture. Über die Zerstrittenheit innerhalb der Wissenschaft schreibt der Politikwissenschaftler Johannes Varwick im einem FAZ-Artikel, den du in der Diskussion zu www.piqd.de/wissenscha... aufgriffst. Auch beklagt er implizit eine mangelnde Konfliktfähigkeit des ÖRR, ein fehlendes Mindestmaß an Ausgewogenheit und Respekt. In Talkshows spiegele sich die Breite der Bewertungen des russischen Kriegs in der Ukraine selten wider, „meist gibt es nur einen ‚Quotenabweichler‘ (oft so dünn besetzt, dass er oder sie sich ideal als Pappkamerad eignet), über den dann der Rest der Runde genüsslich herfallen darf…“.
Im Interview mit Frau Ackermann geht es neben Wissenschaftsfreiheit auch um die Meinungsfreiheit im öffentlichen Raum. Nach meinen Erfahrungen mangelt es in vielen geschlossenen Kollektiven öffentlicher Einrichtungen oder Unternehmen an einer wirklichen Streitkultur, die die Geschäfte voranbringen kann. Der Obrigkeit wird das Wort geredet, was häufig in eine ausufernde Selbstgefälligkeit mündet. Oder es werden eben nützliche Vorschläge bzw. kritische Bewertungen erreichter Ergebnisse gar nicht vorgebracht. Verkauft wird das als positive Gruppendynamik.
Ganz bestimmt muss die Wissenschaft hier eine Vorreiterrolle einnehmen, um das friedliche und konstruktiv auf die Zukunft gerichtete Zusammenleben der Gesellschaft zu fördern.