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Technologie und Gesellschaft

"Artificial Intimacy" ist ein Angriff auf menschliche Empathie

René Walter
Grafik-Designer, Blogger, Memetiker | goodinternet.substack.com

Irgendwas mit Medien seit 1996, Typograph, Grafiker, Blogger. Ask me anything.

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René WalterMontag, 29.07.2024

Die KI-Branche befindet sich klar in einer Investment-Blase: Nicht nur hat Goldman Sachs in einem Bericht der Technologie eine fehlende Killer-Anwendung bescheinigt, auch Venture Capital-Investor David Cahn fragt danach, welche Erlöse die 600 Milliarden Dollar wieder reinholen sollen, die bislang in die ganzen Generativen AI-Tools geflossen sind. Forbes wirft ein, dass es bereits erfolgreiche Anwendungen für "advertising, search, content creation, video development, rendering, and even private models that can streamline financial services or personalize health" gäbe, es ist allerdings mehr als fraglich, ob synthetisches Copywriting, kommerzielle Low End-Illustration und customized Finanzberatungs-Software mit Sprachinterfaces zusammengenommen einen 600 Milliarden-Markt darstellen.

Ich erinnere mich gerne, wenn ich über Investment-Blasen nachdenke, an das Jahr 2000 zurück, kurz vor dem Platzen der New Economy-Bubble. Damals startete Pro7 in Zusammenarbeit mit irgendeinem dieser neuen Internet-Unternehmen eine Plattform, auf der User Profile anlegen und sich gegenseitig Nachrichten schicken konnten. Den Namen der Plattform weiß ich nicht mehr und sie verschwand so schnell, wie sie gekommen war. Ich weiß aber auch noch sehr genau, wie wenige Jahre später MySpace auftauchte und zehn Jahre später genau solche Plattformen, um Feeds und Blogging-Funktionen bereichert, damit begannen, die ganze Welt zu verändern und die heute den medialen Mainstream der globalen Konversation bilden.

Deshalb werfen die Diskrepanzen zwischen AI-Heilsversprechen und ökonomischen Realitäten bei mir zwei Fragen auf: Wann wird der Markt einer Korrektur unterworfen und welche Anwendungen der im Prinzip interessanten Technologie werden diese Korrektur überleben?

Eine sichere Wette über die kommerziellen KI-Anwendungen der Zukunft nach dem Hype sind meines Erachtens mimetische AI-Anwendungen, die menschliche Sprache simulieren: AI-Companions, die in Zukunft um AI-Agents bereichert wahrscheinlich auch allerhand kleinteilige Aufgaben für uns übernehmen können und die, wichtiger, über das personalisierte Sprach-Interface emotional und psychologisch wirksame Beziehungen zwischen Anwendern und künstlichen Systemen forcieren. Und genau wie die personalisierten News-Feeds und aufmerksamkeitsökonomischen Anreize der Social Media-Revolution unvorhergesehene psychologische Folgen für gesellschaftliche und politische Diskurse hatte, dürften auch mimetische AI-Systeme als tägliche Begleiter Konsequenzen nach sich ziehen, die wir heute noch nicht antizipieren können. ("Fun"-Fact: Die Verweildauer der User von Character.ai beträgt durchschnittlich [!] 2 Stunden [!!])

Die Sozialpsychologin Sherry Turkle vom MIT beschäftigt sich seit den 1970er Jahren mit den psychologischen Folgen der digitalen Transformation und warnt in ihren jüngsten Talks vor einer "Artificial Intimacy", vor einer "Illusion von Intimität ohne Anforderungen", und davor, dass uns Digitalität und AI-Companions dazu verführen, "Beziehungen ohne Verletzlichkeit" zu suchen. Aber ohne offene Verletzlichkeit in menschlichen Beziehungen sei keine Empathie möglich, was speziell AI-Companions zum "größten Angriff" auf eine der essenziellsten menschlichen Eigenschaften macht: Um die Gefühle und Gedanken anderer Menschen wirklich nachempfinden zu können, muss ich mich selbst öffnen und mich für andere Menschen verletzlich machen. Personalisierte AI-Bots untergraben genau diesen psychologischen Mechanismus, in dem sie einen perfekten Partner simulieren, der für jeden Unfug, synthetisch-sprachliche erotische Abenteuer oder gar Therapiesitzungen allzeit bereit ist und sich niemals beschwert. Sherry Turkle sagt: "What AI can offer is a space away from the friction of companionship and friendship".

Auf einem Talk beim Wisdom & AI-Summit in San Francisco von 2023 sprach Turke über Replika, neben Character.AI einer der erfolgreichsten AI-Companion-Services: 

Users of Replika say that people are disappointing because they judge you and can abandon you. The drama of human connection is exhausting. In contrast, Replika is a sure thing -- a confidence booster. Always there, day or night. Human relationships are messy and demanding and we clean them up with technology and we feel less vulnerable talking to programs than to people.

Der von mir hier gepickte Podcast des US-amerikanischen National Public Radio (NPR) ist nur ein Einstieg in die Arbeit von Sherry Turkle, hier ein paar weiterführende Vorträge und Podcasts:


"Artificial Intimacy" ist ein Angriff auf menschliche Empathie

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Kommentare 1
  1. Theresa Bäuerlein
    Theresa Bäuerlein · vor einem Monat

    Das ist wahnsinnig interessant, vielen Dank dafür! Sherry Turkle ist eine Entdeckung. "Erst sprachen mir mit Menschen, dann mithilfe von Maschinen mit Menschen, dann mit Maschinen."

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